Medea
© Gregorius Vatis Advena 2016, Record D 4, Medea, June 2016, Hampshire, free heterometric verse, Greek theatre, 1217 lines, dramatic poetry, German.
© Gregorius Vatis Advena 2016, Record D 4, Medea, June 2016, Hampshire, free heterometric verse, Greek theatre, 1217 lines, dramatic poetry, German.
Medea soll die Stadt und ihre Kinder verlassen, nachdem Jason, der Ehemann, sie verstößt. Aber die Rückkehr in die alte Heimat heißt für Medea den Tod durch ihren Vater. Sie appelliert vergeblich. Jason und die strenge Justiz seiner Stadt lassen sich nicht bewegen. Medea entscheidet sich zur äußersten Tat.
Medea zeigt ein ordinäres Familiendrama umgeben von Fremdenhass und politischer Radikalisierung. Das zeitgenössische Setting von Medeas Aufstand behält von der griechischen Tradition nur die Namen. Die Intimität einer respektlosen Sprache wird zur dystopischen Waffe von Autoritarismus und politischem Widerstand.
Suite in D Dur, HWV 428 – I. Presto, Händel, gespielt von Christopher Wood – Musopen CC PD.
Der Vers ist weitestgehend frei und heterometisch, oft auch prosanah und antilyrisch. Die Anzahl der Silben und Hebungen ist flexibel. Der Versfuß ist gemischt, die Satzstellung zuweilen frei und klassisch. Das Stück ist in karolingischer Rechtschreibung verfasst.
Die Gliederung wird von der klassischen Tragödie übernommen: Nach dem Prologos spielen die längeren Hauptszenen (Epeisodien) zwischen Chorliedern (Parodos und Stasimen) und das Stück endet im Exodos.
JASON, bürger der polis
MEDEA, Jasons ehefrau
FATIMA, Medeas freundin
AGAMEMNON, [hier] Jasons vater
BOTE des richters, amtmann
CHOR der coolen
ORT: im wohnzimmer
PROLOGOS | ||
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Medea. | Bei mir wirst du dich wundern, mein lieber! | |
| ||
Jason. | Wie? noch mehr? | |
| ||
Medea. | Genau! dir werde ich es zeigen, | |
Jason. mit huren | ||
verkehrst du am liebsten, das sei dir gegönnt, | ||
ist mir egal. sei kein dummkopf, | 5 | |
mein guter, überleg dir gut | ||
was du mit mir tust: | ||
wenn du denkst, du kannst mich wegschmeissen | ||
wie dreck in den müll, da kannst du mich mal, | ||
da wirst du was erleben. | 10 | |
| ||
Jason. | Ach? ich werde was erleben? | |
was hast du mir zu zeigen, Medea? | ||
komm, sag schon! hast du eine waffe | ||
oder was? sag’s nicht | ||
hinter meinem rücken | 15 | |
wie es deine art ist. hab doch mut, | ||
ich höre deine lächerliche | ||
drohung! sag mir ins gesicht | ||
was du vorhast! | ||
| ||
Medea. | Wow, wie der sich voll anpreist, der mann | 20 |
ohne angst, wie geil, wie toll, wie mutig. | ||
wen willst du mit dem quatsch beeindrucken? | ||
ich sag’s dir ins gesicht jetzt wie immer: | ||
wenn du denkst, | ||
du kannst mich voll und ganz benutzen | 25 | |
und jetzt wie den letzten deiner verdreckten | ||
kondome wegwerfen, wie die letzte schlampe | ||
vom puffrabatt, da irrst du gewaltig. | ||
du willst mit dem feuer spielen? | ||
kennst du mich so wenig? du zweifelst noch | 30 | |
wenn ich sage, es wird nicht so bleiben? | ||
| ||
Jason. | Dich, Medea, kenne ich sehr wohl, | |
natürlich, wie kann ich vergessen | ||
wie wir uns kennengelernt haben? | ||
hinter dem kiosk hast du mir einen geblasen! | 35 | |
wie? du hast jetzt was gegen nutten, | ||
nachdem du das jahrelang gemacht hast | ||
in der hoffnung irgendwann einen doofen | ||
touristen wie Jason zu schnappen? | ||
| ||
Medea. | Du meinst den tag, wo du gesagt hast, | 40 |
du kannst nicht ohne mich leben? nüchtern, | ||
wohlgemerkt, das war noch am mittag | ||
vor der sauferei. spät in der nacht | ||
gibst du mir die ganze kiste zu trinken, | ||
und wenn ich mich zum kotzen umdrehe | 45 | |
legst du mir was in den mund, super. | ||
und jetzt bin ich die schlampe sogar! | ||
meine güte, bei dir geht es ja weit | ||
mit der vorstellungskraft! wunderbar | ||
nach dem motto: ich liebe dich, Medea, | 50 | |
ach, Medea, komm nach hause mit mir, | ||
wir gehören zusammen, schatz, für immer! | ||
| ||
Jason. | Da hast du vollkommen recht, Medea, | |
da habe ich gar nichts einzuwenden. | ||
du erläuterst genau die art und weise, | 55 | |
wie du mich aus ganz niederen gründen | ||
geschnappt hast. erzähle denn weiter! | ||
du hast ja geheiratet, kinder gekriegt | ||
wie du wolltest, aber sicher, klar, | ||
und jetzt? jetzt soll ich zum versorger | 60 | |
deiner kinder werden, was? so nicht, | ||
nicht so! es sind ja meine kinder, | ||
die bleiben bei mir, du gehst allein! | ||
| ||
Medea. | So stellst du dir das vor? | |
ist das wirklich dein plan? | 65 | |
| ||
Jason. | Wie denn nicht? soll ich der clown | |
sein oder was? du nimmst die kinder | ||
mit in diese anatolische kloake | ||
wo du herkommst, vergnügst dich weiter | ||
hinter dem kiosk und der Jason hier, | 70 | |
ich soll das bezahlen? von wegen, | ||
mädchen, träume weiter. | ||
| ||
Medea. | Beeindruckend! | |
ich bin echt baff! wenn ich nur denke, | ||
dass ich dich damals geliebt habe. | 75 | |
| ||
Jason. | Du nennst es liebe? aha! ich auch, | |
ich war auch einer von denen die du – | ||
egal. mit uns geht es nicht weiter! | ||
seit wir hier zusammen wohnen, | ||
sitzt du nur den ganzen tag herum | 80 | |
mit deinem gebetsbuch und dem tuch. | ||
du verachtest voll und ganz mein land, | ||
du wolltest dich nie integrieren! | ||
nicht mal die sprache kannst du richtig, | ||
du sprichst gebrochen wie zum kotzen, | 85 | |
es tut den ohren weh dich zu hören. | ||
vom ganzen rumsitzen bist du dicker | ||
und dicker geworden. | ||
| ||
Medea. | Ach, das auch? | |
| ||
Jason. | Das auch! und mach dich nicht lustig! | |
ein mann hat doch sexuelle gelüste, | 90 | |
verdammt noch mal, das gehört dazu: | ||
ich will eine frau ficken | ||
die sich pflegt und attraktiv aussieht. | ||
das tust du nicht, das willst du nicht, | ||
ich war dir immer egal. | 95 | |
du wolltest nur in dieses land ziehen. | ||
| ||
Medea. | Weisst du, Jason, es gibt ja tage | |
wo du was richtiges sagst. dein schwanz | ||
begeistert mich nicht mehr so richtig, | ||
nein, nicht mehr als deine kinder: meine! | 100 | |
die ich lieber pflege als mich selbst. | ||
| ||
Jason. | Ach nee, so ein opfer kannst du erbringen! | |
| ||
Medea. | So ist das! und lass mich noch mehr sagen | |
da wir beim sex sind. du willst erfahren | ||
warum ich lieber kotze als dir einen blase? | 105 | |
seit du angefangen hast diesen shemale | ||
aus Rio de Janeiro zu ficken, den du beim | ||
katholischen familientag kennengelernt | ||
hast, ja genau – | ||
seit du mit deinem tollen sambatänzer | 110 | |
rumbumst, hat sich was geändert: | ||
dein schwanz ist entzaubert, mein lieber, | ||
schmeckt jetzt wie scheisse. | ||
| ||
Jason. | Ich will mich nicht begeben, mein kind, | |
auf deine sprachebene. ich möchte dazu | 115 | |
nur das sagen: der sambatänzer, | ||
oder wie auch immer du Laura nennst, | ||
kümmert sich um diesen schwanz | ||
viel besser als du. | ||
| ||
Medea. | Das freut mich! | |
du hast jetzt jemanden der zu dir passt | 120 | |
und keine kinder von dir befürchten muss. | ||
| ||
Jason. | Wie, befürchten? mach dir keinen kopf, | |
die kinder werden dich nicht lange belästigen. | ||
sobald die scheidung erledigt ist, zack, | ||
verlässt du mich, mein land und meine kinder. | 125 | |
| ||
Medea. | Du und dein land sind mir scheissegal! | |
aber meine kinder, die behalte ich, | ||
die sind nicht deine, die sind meine. | ||
| ||
Jason. | Das werden wir sehen! | |
| ||
Medea. | Das werden wir sehen! | |
| ||
| ||
PARODOS | ||
| ||
| ||
| ||
Chor. | Mal gucken wie sich alles entwickelt, | 130 |
das ganze theater mit Medea und Jason. | ||
sieht schon krass aus: | ||
die frau muss abhauen, | ||
so einfach ist das. nach der scheidung, | ||
wenn alles geregelt ist, | 135 | |
muss sie weg. bei uns ist es halt so, | ||
und ob der sie verstossen hat oder nicht | ||
ist völlig egal: die kinder bleiben. | ||
wurden hier geboren, sind hier zu hause. | ||
schön blöd, | 140 | |
dass die sich auf einmal verpissen muss, | ||
aber was soll’s? | ||
das ist einfach | ||
das gesetz. nicht jeder fremde | ||
darf bleiben und die darf eben nicht. | 145 | |
früher war das einfach, | ||
aber jetzt mit der neuen partei? unmöglich. | ||
Medea hat ja zig jahre gelebt | ||
da drüben wo die herkommt, und sicher | ||
kriegt sie es nun auch hin! | 150 | |
ab und zu kann man natürlich anrufen | ||
die kinder und so, das macht man einfach, | ||
das gehört dazu, mein Gott, hier bei uns, | ||
das ist doch keine diktatur wie damals | ||
die schweinerei. die sache wird dezent | 155 | |
geregelt, alles paletti und zivilisiert. | ||
ich weiss nicht woher so ein gerede kommt | ||
dass man bei uns sich nicht benimmt | ||
und fremde nicht mag und dies und jenes: | ||
das sind lügner, schweine sind das! | 160 | |
wo hat man ein boot voller leute gesehen | ||
wo die besatzung meinte: wir helfen jedem, | ||
kommt nur zu! | ||
geht einfach nicht, das ding muss kentern. | ||
das herz ist gross, die welt ist aber klein, | 165 | |
da muss man schon genau gucken, | ||
wohin ein jeder gehört und wer bleibt. | ||
eines ist sicher, das sage ich euch, | ||
das könnt ihr schreiben: nicht jeden | ||
können wir bei uns unterhalten. | 170 | |
der eine darf bleiben, der andre muss weg, | ||
muss seine sachen packen, kind und kegel | ||
und alles und raus hier, schluss, vorbei. | ||
es ist schon krass dass es diesmal | ||
grad eine frau wie Medea trifft. | 175 | |
die ist keine banditin, | ||
benimmt sich, dürfte schon bleiben. | ||
es ist so gekommen, schade, | ||
schön ist das nicht, | ||
hab ich auch in der kneipe gesagt. | 180 | |
aber was soll’s? | ||
mein leben war auch kein ponyhof, | ||
ich musste einiges auf die reihe kriegen. | ||
mal gucken, ich bin echt gespannt | ||
wie die beiden das regeln. | 185 | |
| ||
| ||
EPEISODION | ||
| ||
| ||
| ||
Fat. | Ach, Medea, weine nicht mehr, | |
ich bin bei dir, alles wird gut! | ||
| ||
Medea. | Du hoffst noch? je mehr ich bete | |
desto mehr verliert sich die hoffnung. | ||
| ||
Fat. | Hast du mit Jason gesprochen? | 190 |
| ||
Medea. | Es ist so weit, Fatima – vorbei. | |
| ||
Fat. | Was hat er dir gesagt? ich höre! | |
| ||
Medea. | Er will nichts mehr von mir wissen, | |
ich soll gehen, die kinder verlassen. | ||
| ||
Fat. | Ist es wahr ... | |
| ||
Medea. | ... über diese Laura? | 195 |
das ist wahr, er will die scheidung. | ||
| ||
Fat. | Wie schade, Medea! sage, meine liebe, | |
wie ich dir helfen kann, und ich helfe. | ||
| ||
Medea. | Hilfe? ich habe viel aufgegeben, | |
so viel, um diesem mann zu folgen. | 200 | |
meine heimat warnte mich vergeblich: | ||
hier bin ich, verstossen, unglücklich. | ||
schau in die tiefe meines herzens | ||
und sage nun, wenn du mich liebst, | ||
woran meine liebe gescheitert ist. | 205 | |
| ||
Fat. | Gescheitert ist Jason, wertloser mann, | |
verräter, nicht würdig deiner tränen. | ||
trockne dein auge, es ist noch zeit, | ||
wir werden bald eine lösung finden. | ||
| ||
Medea. | Es gibt keine lösung, wovon sprichst du? | 210 |
hast du nicht begriffen dass mein mann | ||
mich hasst und mich wie dreck behandelt? | ||
ich muss die stadt verlassen, schnell, | ||
so wird gesetz und richter sprechen – | ||
doch wohin? zeige wenn du nur kannst | 215 | |
den ort wo Medea noch zuflucht findet. | ||
die länder werden die fremde zurückweisen, | ||
nach hause darf ich nicht zurückwandern. | ||
oder weisst du nicht dass dort mein vater | ||
und brüder warten, den dolch ja bereit, | 220 | |
um meine unehre mit mord zu strafen? | ||
nie wieder darf Medea, die unglückliche, | ||
die eigene heimat sehen! | ||
| ||
Fat. | wohin denn? | |
| ||
Medea. | sage du selbst, die du hilfe bietest! | |
| ||
Fat. | Nein, Medea, so wird es nicht bleiben. | 225 |
Jasons vater ist ein verständiger mann: | ||
dieses unrecht wird er nicht erlauben. | ||
ich werde dein anliegen gut erläutern | ||
damit Agamemnon etwas tut und lindert. | ||
| ||
Medea. | Wie? du meinst, er kann gesetze brechen, | 230 |
er kann richter kaufen, das land regieren | ||
nach seinem willen nur? es ist so klar | ||
dass mir nichts übrig bleibt als verbannung. | ||
was soll Agamemnon schaffen? selbst der sohn | ||
gehorcht ihm nicht, geschweige denn richter. | 235 | |
| ||
Fat. | Diese traurigkeit gefällt mir nicht. | |
du musst ja stärke zeigen und kämpfen! | ||
Gott ist gross, meine liebe, er prüft uns, | ||
verlässt uns aber nicht. | ||
| ||
Medea. | Traurigkeit? | |
ich weiss schon meine stärke zu zeigen. | 240 | |
Jason wird bereuen wie keiner zuvor | ||
was er mir all die jahre angetan hat, | ||
und jetzt auch das noch! o ja, bereuen | ||
wird er alles. ich wage nicht zu sagen | ||
was ihn erwartet, wenn er mir raubt | 245 | |
die Kinder nachdem er ehre und heimat | ||
mir schon genommen hat. | ||
| ||
Fat. | Nicht so! | |
beruhige dich bitte, sei geduldig | ||
und ziehe lieber vernunft zu rate | ||
als hass. was hast du vor? erzähle! | 250 | |
| ||
Medea. | Die wahrheit, Fatima, worte der rache | |
behalte ich für mich und für die rache. | ||
| ||
Fat. | So sollst du nicht denken, Medea, | |
Jason ist es sicherlich nicht wert. | ||
| ||
Medea. | Ich darf ja so wenig, meine freundin! | 255 |
lass mich bitte das denken behalten. | ||
es wird sich zeigen ob es sich lohnt | ||
gedanken doch in die tat umzusetzen. | ||
| ||
| ||
| ||
Fat. | Da ist er sogar! | |
| ||
Medea. | Sprich mit ihm! | |
| ||
Agam. | Da seid ihr! wo ist denn Jason? | 260 |
ich muss ihn dringend sprechen! | ||
| ||
Fat. | Ist es über Medeas schicksal | |
dass Sie mit Jason sprechen wollen? | ||
darüber kann ich auch was sagen! | ||
oder wissen Sie es noch gar nicht? | 265 | |
Ihr sohn hat ein schönes verfahren | ||
gegen Medea eingeleitet. | ||
er will allein die kinder haben | ||
und diese unschuldige frau hier, | ||
die muss das land verlassen! | 270 | |
Sie fragen warum? weil Ihr sohn | ||
es nicht einsieht dass eine mutter, | ||
vom mann verstossen, die eigenen kinder | ||
behalten darf. es ist ihm einerlei | ||
ob Medea noch lebt oder tot ist, | 275 | |
ob sie ein dach oder brot noch hat: | ||
alles egal! die muss nur verschwinden, | ||
egal wohin, hauptsache verschwinden! | ||
| ||
Agam. | Was? ist es wahr, Medea? antworte! | |
| ||
Fat. | Sie kann es nicht, ihr fehlt die kraft | 280 |
noch mehr worte zu finden, zu flehen. | ||
| ||
Agam. | Das ist von diesen beiden lächerlich! | |
erstens wisse, Medea, es gibt gesetze | ||
in diesem land die mütter beschützen! | ||
zweitens werde ich nicht erlauben, nie, | 285 | |
dass Jason sich wie ein schurke benimmt, | ||
es sei denn, er will mich nie wiedersehen | ||
und braucht mein fettes geld auch nicht, | ||
was ich sehr bezweifle. ich bin empört, | ||
ich kann mir nicht wirklich vorstellen | 290 | |
dass Jason so etwas vorhat was Sie sagen. | ||
ich muss mich hinsetzen, um Gottes willen, | ||
ich möchte das alles genau erfahren! | ||
wer ist denn diese frau? die ganze kneipe | ||
spricht über sie! das hat er nie erzählt. | 300 | |
wie kann das denn sein, was glaubt er? | ||
| ||
Fat. | Fragen Sie ihn! wenn Jason ein mann ist, | |
und darauf kommt es jetzt überhaupt an, | ||
wenn Jason Sie noch als vater achtet, | ||
wird er selbst sagen, wer Laura ist. | 305 | |
| ||
Agam. | Laura? | |
| ||
Fat. | Laura! | |
| ||
Medea. | Laura! | |
| ||
Agam. | Aha! | |
| ||
Fat. | Ich möchte Sie nur um eines bitten: | |
Medea kann das land nicht verlassen, | ||
sie hat keine freunde, keine familie. | ||
wenn sie zu ihrer heimat zurückkehrt | 310 | |
erwartet sie schon der sichere tod, | ||
der mord durch den eigenen vater! | ||
wohin sich wenden wenn der richter | ||
bestimmt, Medea kann ihre kinder | ||
nicht unterhalten und soll nun gehen, | 315 | |
die söhne Jason allein überlassen? | ||
| ||
Agam. | Seit langem wollte ich diesem hund | |
das ein oder andere wort ja sagen. | ||
allzu lange musste ich meine hände | ||
bändigen, geduld und wunder üben. | 320 | |
jetzt ist deine zeit gekommen, Jason! | ||
jetzt wirst du was richtiges erleben! | ||
wo ist er aber? ruf ihn an, Medea, | ||
er soll sofort erscheinen und sagen | ||
was der quatsch soll. langsam reicht’s: | 325 | |
er kann zwar mein sohn sein, jawohl, | ||
aber von arschlöchern, junge frau, | ||
von arschlöchern hab ich die faxen dicke! | ||
| ||
Chor. | Den Jason habe ich gerade gesehen | |
in der kneipe. der redet nur noch | 330 | |
über Laura, geht mir auf den geist. | ||
| ||
Agam. | Und wann kommt er denn? | |
| ||
Chor. | Müsste bald | |
schon da sein, sein zeug zu packen. | ||
| ||
Agam. | Wie, packen? | |
| ||
Chor. | Ja, der zieht aus, | |
hat er gesagt, zusammen mit Laura. | 335 | |
| ||
Agam. | Nimmt er die kinder mit? | |
| ||
Chor. | Selbstverständlich. | |
| ||
Medea. | Jason hat gerade eine SMS geschickt, | |
ist in zwei minuten da. ihr lieben, | ||
ich kann dieses gespräch nicht mehr | ||
ertragen und nicht ertragen demütigung. | 340 | |
ich gehe bevor er mich fertig macht | ||
vor euch in jeder hinsicht, schon wieder. | ||
mal gucken ob ihr ihn überzeugen könnt | ||
ein bisschen, nur ein bisschen zu bedenken | ||
meinen fall und mein schicksal. o mann! (ab.) | 345 | |
| ||
Fat. | Warte, Medea! | |
| ||
Agam. | Warten Sie, Fatima, | |
da kommt anscheinend Jason, hören Sie? | ||
| ||
Fat. | Das muss er sein, wer sonst und wie? | |
| ||
Agam. | Jason, bist du es? | |
|
Medea |
| ||
| ||
Jason. | Was machst du hier, vater? | |
für dein rummeckern habe ich keine zeit. | 350 | |
| ||
Agam. | Ich sollte dir eine in die fresse hauen | |
und sie dir schön polieren, aber sofort! | ||
setz dich doch hin, bandit, und hör zu: | ||
was für ein gerede ist das in der kneipe | ||
dass du mit dieser nutte rumfickst? | 355 | |
was hat die mutter deiner kinder getan | ||
um solch eine schweinerei zu verdienen? | ||
| ||
Jason. | Vater, ich möchte dir nur eines sagen: | |
in das private leben eines paars, okay, | ||
sollte sich keiner einmischen, keiner! | 360 | |
| ||
Agam. | Super! was ist denn noch privat bei euch | |
seit du überall von deiner frau redest | ||
wie vom letzten dreck? diskretion, Jason, | ||
und respekt stellst du dir wirklich so vor? | ||
sage zuerst: wer ist diese Laura, verdammt? | 365 | |
| ||
Jason. | Ich möchte mit dir nicht streiten, vater, | |
darum sage ich dir ganz klar und ruhig: | ||
von Medea will ich nichts mehr wissen. | ||
die liebe meines lebens heisst Laura! | ||
| ||
Agam. | Dass du Medea nicht liebst, mein sohn, | 370 |
dafür kann ich nichts – trotzdem schade. | ||
aber Medea wird bleiben was Medea ist: | ||
die mutter deiner kinder! ja, was denn? | ||
du kannst sie nicht einfach wegtilgen | ||
aus deiner vergangenheit, so ganz simpel | 375 | |
auf einmal trennen mutter und kinder, | ||
für immer trennen. schämst du dich nicht? | ||
| ||
Jason. | Was soll ich denn sonst? soll ich Medea | |
die zukunft meiner kinder überlassen? | ||
weisst du wirklich wem du deine enkeln | 380 | |
anvertrauen möchtest? | ||
| ||
Agam. | Kläre mich auf! | |
sage was an dieser frau so schlecht ist | ||
dass sie es nicht verdient, mein Gott, | ||
mutter ihrer kinder zu sein. na! sprich! | ||
| ||
Jason. | Also, bist du bekloppt oder was? | 385 |
du hast sie wohl nicht alle, oder? | ||
seit dem ersten tag in dieser wohnung | ||
kümmert sich Medea um ihr gebet, | ||
um ihr tuch und nur noch darum. | ||
sie hat sich nie wirklich integriert | 390 | |
und wollte es nie. bist du taub? | ||
tun deine ohren echt nicht weh | ||
wenn sie den mund aufmacht, gebrochen | ||
wie ihre aussprache klingt, pfui, | ||
sie kann sich kaum artikulieren. | 395 | |
das ist hier mein Land, meine leute, | ||
hier bin ich aufgewachsen, mit denen | ||
möchte ich sein die meine werte tragen, | ||
meine kultur. was habe ich gemeinsam | ||
mit Medea die nur noch rumbetet? | 400 | |
sie passt sich einfach nicht an | ||
und das geht mir auf den keks! | ||
| ||
Fat. | Nein, Jason, entschuldige mich bitte, | |
da muss ich dir zwei worte sagen: | ||
Medea war immer voll dabei und voll | 405 | |
motiviert beim integrationskurs | ||
von anfang an, denn sie liebt dich. | ||
die lehrerin war ganz stolz auf sie. | ||
sie hat auswendig gelernt, ganz allein, | ||
das bruttosozialeinkommen des landes | 410 | |
in den letzten zwanzig jahren, jawohl, | ||
das kann sie noch jedem vortragen. | ||
ich habe alle ihre kursbescheinigungen, | ||
sie hat alles summa cum laude bestanden. | ||
| ||
Jason. | Was das vieh auswendig kann oder nicht, | 415 |
das ist mir aber völlig scheissegal. | ||
ich kann meine frau nicht mehr ertragen, | ||
ich kann sie nun mal nicht mehr sehen, | ||
ich verschenke sie jedem der sie will. | ||
die kann machen was immer sie möchte | 420 | |
von ihrem leben, ich habe nichts dagegen. | ||
nur die kinder möchte ich behalten | ||
damit sie eine richtige zukunft haben, | ||
nicht zu bombenlegern werden und allem, | ||
terroristen, fanatikern, weiss der geier. | 425 | |
| ||
Agam. | Ich muss mich wirklich hinsetzen, Jason! | |
kann ich ein glas wasser haben, Fatima? | ||
| ||
Fat. | Aber sicher! | |
| ||
Jason. | Die gläser sind da oben. | |
| ||
Agam. | Tja, Jason, was soll ich alles sagen | |
zu deinen grandiosen gedankenfürzen, | 430 | |
so vielen auf einmal? ich bin schockiert. | ||
als vater muss ich dir doch eines sagen: | ||
schon früh habe ich erahnt, ja bemerkt, | ||
was für ein arschloch du werden solltest, | ||
ein versager, mein lieber, sondergleichen. | 435 | |
ich habe so viel versucht, ja tag für tag | ||
habe ich versucht was dagegen zu tun. | ||
ich habe dich zu guten schulen geschickt, | ||
ich habe geld in dich investiert. arbeit? | ||
ich habe dich sogar in der firma eingestellt. | 440 | |
du wolltest nie was festes, nur feiern. | ||
dann kamen die reisen. durch alle exotischen | ||
strände der welt bist du besoffen gegangen, | ||
in jedem von denen hast du frauen gesehen, | ||
gefickt, geschwängert vielleicht, und betrogen. | 445 | |
du bist ja voll und ganz ein auf-und-davon, | ||
und schliesslich hat das schicksal gewollt | ||
dass deine billigflüge dich an Medea bringen, | ||
die arme frau deren einziger fehler es war | ||
dich zu lieben. dafür zahlt sie den preis. | 450 | |
hast du vielleicht etwas dazu zu sagen? | ||
| ||
Jason. | Ich habe immer gewusst, vater, | |
was du von mir denkst und so. | ||
ein arschloch siehst du in mir? | ||
so was hast du aus mir gemacht! | 455 | |
ich durfte nie tun was ich wollte, | ||
alles was ich machte war scheisse. | ||
die schule, die arbeit und alles | ||
musstest du bestimmen, jawohl, | ||
sogar die frau. langsam reicht’s! | 460 | |
wenn du so wenig von mir hältst | ||
verschwinde ganz aus meinem leben. | ||
| ||
Agam. | Das lässt du selbst nicht zu, mein lieber! | |
jemand muss deine kneipenrechnungen zahlen, | ||
deine partys, dein koksen, die hurerei. | 465 | |
ich ziehe mich zurück, du rufst aber an | ||
nach einer weile, du schickst briefe sogar. | ||
ich muss dir was bitteres sagen, tut mir leid: | ||
in unserer beziehung zueinander, mein sohn, | ||
bin ich nicht wirklich der der hinterherläuft. | 470 | |
| ||
Jason. | Schon gut! ich brauche dich nicht mehr, | |
ich habe einen neuen job beim supermarkt. | ||
hau einfach ab mit Medea und das war’s. | ||
| ||
Agam. | Und du behältst allein die kinder? | |
du bist echt so von dir überzeugt | 475 | |
dass du glaubst, du kannst erziehen | ||
deine eigenen kinder? wie lächerlich, | ||
Jason, wie lächerlich machst du dich. | ||
| ||
Jason. | Aber so ist das! der fall geht vor gericht, | |
der richter wird in meinem sinn entscheiden, | 480 | |
das hat mir schon der anwalt versichert. | ||
morgen, sagt er, ist es schon so weit. | ||
| ||
Agam. | Überleg dir gut, Jason, | |
ob du das machen willst. | ||
ist dir wirklich egal | 485 | |
die zukunft deiner frau? | ||
Medea wird abgeschoben, | ||
die keine zuflucht hat. | ||
kehrt sie wieder heim, | ||
die wird sofort ermordet. | 490 | |
| ||
Chor. | Was hast du denn vor, Jason? mann! | |
das ist doch keine lebenseinstellung, | ||
das ist ziemlich feige, mein kumpel! | ||
| ||
Jason. | Die ist doch erwachsen, die findet sich zurecht: | |
soll doch weniger beten und länger arbeiten. | 495 | |
was ich entschieden habe, das ist entschieden. | ||
| ||
| ||
STASIMON | ||
| ||
| ||
| ||
Chor. | Das sind immer dieselben geschichten: | |
wenn der schwanz gen himmel guckt | ||
und vor geilheit strotzt, | ||
da spielt es keine rolle ob das vieh | 500 | |
vom norden kommt oder süden, aus Thailand, | ||
Mallorca oder Rio de Janeiro. | ||
je exotischer desto geiler das stück, | ||
hauptsache rein damit: ich komme, ich komme. | ||
dann nimmt man das tolle sexzeug mit nach hause | 505 | |
und da fällt der groschen erst: | ||
gewinnmaximierungsprozesse bedingen | ||
in hochindustriellen leistungsgesellschaften | ||
das leben aller, und wer da wenig bietet, | ||
sich nicht integriert, für den ist kein raum, | 510 | |
der muss eben zurück nach Thailand, | ||
Marokko, weiss der geier wohin, | ||
woher auch immer der kam. | ||
so ist das: | ||
nach der multikultigangbang hinter dem kiosk | 515 | |
kommt die völkerscheidung. | ||
da wird man meinen, es gibt einfach völker | ||
die nicht zusammenpassen. | ||
mag auch wahr sein, und der typ hier, | ||
Agamemnons sohn bildet sich jetzt voll ein, | 520 | |
sein volk und Medeas sollen sich nicht mischen, | ||
gehören nicht zusammen. nur, wie soll das hinhauen? | ||
das hätte er sich vorher überlegen sollen, | ||
bevor er es ihr am strand besorgte | ||
und sein gaggingvideo ins netz hochlud. | 525 | |
Jason hätte Medeas land, das verachtete, | ||
gar nicht betreten sollen statt | ||
sich geil und gierig | ||
fickstücke im bunten exotenpuff auszusuchen. | ||
wie denn nicht? | 530 | |
man muss die sache beim namen nennen: | ||
Jason hat jetzt zwei kinder gekriegt, super, | ||
die haben das blut von einem volk | ||
von dem er sich scheiden will. | ||
was soll ich dazu sagen? | 535 | |
ich weiss ja genau | ||
dass ich voll und ganz ein banause bin, | ||
ich gesteh’s, aber meine meinung bleibt | ||
meine meinung, kann nichts dafür. | ||
meine gedankenfürze behalte ich für mich, | 540 | |
ich bin nicht wie Jason der so rumprahlt | ||
in der kneipe von wegen der völkerscheidung | ||
und der neuen partei und dies und das. | ||
ich sage mal so, nur unter uns: | ||
das schöne wäre dass jeder bleibt | 545 | |
in seinem land und ende. schluss. | ||
wo es keine völkerschweinerei gibt, | ||
da braucht es auch keine völkerscheidung. | ||
aber es ist nicht so | ||
und ich nehme es so wie es kommt, | 550 | |
mein Gott, was kann ich dagegen, was soll’s? | ||
Jason aber, der muss schon aufpassen. | ||
ich hab so ein bauchgefühl, | ||
Medea wird’s ihm zeigen. | ||
mal gucken! ich muss diese beiden ansprechen, | 555 | |
vielleicht überlegt sich’s zweimal | ||
der ein oder andere | ||
bevor sie scheisse bauen. | ||
| ||
| ||
EPEISODION | ||
| ||
| ||
| ||
Fat. | Beruhige dich, Medea, ich bin hier | |
auf deiner seite. du sollst vertrauen! | 560 | |
| ||
Medea. | Die entscheidung, Fatima, ist gefallen. | |
ich habe schon bestimmt verloren. | ||
| ||
Fat. | Sag doch nicht so einen schwachsinn: | |
die stadtgesetze schützen die mutter! | ||
| ||
Medea. | Betrachte mein schicksal und urteile | 565 |
ob in diesem land gesetze übrig bleiben. | ||
| ||
Fat. | Solange mütter noch übrig geblieben | |
besteht noch hoffnung, das sage ich dir. | ||
| ||
Medea. | Was dieses land aus müttern macht | |
betrachte selbst und sage mir später. | 570 | |
| ||
Fat. | Wenn dir unrecht geschieht, versprochen, | |
folge ich dir bis ans ende der welt. | ||
| ||
Medea. | Mir braucht kein mensch mehr zu folgen, | |
das ende der welt nenn ich mein leben. | ||
| ||
Fat. | Nicht so, Medea, ich bleibe dir treu! | 575 |
lass uns jetzt Agamemnon anrufen. | ||
| ||
Medea. | Agamemnon kann keine wunder bewirken. | |
ich muss den Jason ganz alleine bestrafen. | ||
| ||
Fat. | Wie meinst du das? das ist gefährlich, | |
das gefällt mir nicht. was hast du vor? | 580 | |
| ||
Medea. | Du wirst erfahren, mädchen, schon bald, | |
was ich vorhabe wenn ich es vorhabe. | ||
| ||
Fat. | Jason ist keine rache wert. unrecht | |
sollst du lieber erleiden als tun. (ab.) | ||
| ||
Medea. | Wie kannst du ahnen, du liebes ding, | 585 |
wie verwundet ich bin und verloren? | ||
doch jemand naht und klopft an der tür: | ||
bist du es, Fatima? herein, ich höre! | ||
| ||
| ||
| ||
Bote. | Medea sind Sie? | |
| ||
Medea. | Ich bin es, herr amtmann. | |
| ||
Bote. | Der richter hat sein urteil gefällt. | 590 |
demnach behält Ihr mann seine kinder. | ||
Sie aber können allein in diesem lande | ||
keinen lebensunterhalt bestreiten | ||
für sich selbst, und geschweige denn | ||
für zwei kinder eines redlichen bürgers. | 595 | |
Sie müssen daher in wenigen stunden | ||
das land und beide kinder verlassen. | ||
ich darf Sie auch darauf hinweisen, | ||
dass kein appell dagegen möglich ist. | ||
fangen Sie gleich an zu packen, Medea! | 600 | |
sollte nach sonnenuntergang die polizei | ||
Sie hier erwischen, sind Sie des todes. | ||
ist die mitteilung Ihnen deutlich genug | ||
oder haben Sie vielleicht fragen dazu? | ||
| ||
Medea. | Ich verstehe das nicht, herr amtmann. | 605 |
von heute auf morgen soll ich gehen? | ||
ich habe nirgends um mich zu begeben | ||
und kenne niemand der mich empfängt. | ||
| ||
Bote. | Das ist mir völlig egal, das gesetz | |
vollziehe ich nur: Sie müssen raus! | 610 | |
dieser fall hat nicht heute begonnen. | ||
Sie hätten vorher erfahren sollen | ||
dass in Ihrem fall die verbannung | ||
nach dem urteil schon sofort wirkt. | ||
haben Sie denn keine koffer oder was? | 615 | |
| ||
Medea. | Aber war das nicht so, herr amtmann, | |
dass gesetz mütter vor schande schützt? | ||
die stadt ist verpflichtet verstossene | ||
mütter zu unterhalten, damit sie erziehen | ||
die kinder der stadt wie es sich gehört. | 620 | |
| ||
Bote. | Was sich neuerdings gehört ist dies: | |
schmarotzer haben wir schon genug | ||
und wollen keine fremden dazunehmen, | ||
denn das wäre ja die letzte schande! | ||
ausserdem: es hat sich alles geändert, | 625 | |
gesetz und verfassung, recht und sitte. | ||
wenn des landes belange Sie interessierten | ||
hätten Sie wohl von reformen gewusst. | ||
doch mit weibern Ihrer art und ausländern | ||
habe ich nicht zu debattieren. verstanden? | 630 | |
raus ist raus! weg mit Ihnen, aber sofort! | ||
| ||
Medea. | Jawohl, herr amtmann, ich verstehe. | |
ich fange gleich an zu packen. | ||
wie lange gestatten Sie es mir | ||
mit meinen lieben söhnen zu sein? | 635 | |
| ||
Bote. | Ich tue Ihnen diesen gefallen, Medea: | |
bis zur dämmerung dürfen Sie bleiben. | ||
| ||
Medea. | Das ist aber sehr grosszügig von Ihnen, | |
mein herr, ich muss nur Jason anrufen. | ||
| ||
| ||
| ||
Jason. | Sag es gleich vor meinem gesicht! | 640 |
willst du noch was von mir haben? | ||
| ||
Medea. | O Jason! mein gutmeinender ehemann, | |
zu spät erkenne ich meine fehler. | ||
ich sehe jetzt wie liebesunwürdig | ||
ich bin, eine unkultivierte frau | 645 | |
die dich in jeder hinsicht beleidigt, | ||
die ihre strafe voll und ganz verdient | ||
und erbittet sogar. behalte die kinder! | ||
du kannst sie besser erziehen als ich: | ||
viel höher ist die kultur deiner stadt. | 650 | |
ich knie vor dir und bitte nur um eines: | ||
erlaube dass ich in deinem land bleibe! | ||
ich brauche kein geld und keine hilfe, | ||
ich möchte nur den kindern nahe sein, | ||
sie gelegentlich sehen wann auch immer | 655 | |
es dir beliebt. ich werde gehorchen, | ||
werde mein ganzes leben für dich beten | ||
und dankbar sein für deine wohltat. | ||
| ||
Bote. | Das entscheidet der richter allein. | |
| ||
Jason. | Du hörst ja, Medea, was kann ich dafür? | 660 |
ich sehe schon dass du jetzt bereust | ||
die worte von damals wie ich warnte. | ||
ich weiss es wohl zu schätzen und wünsche | ||
dir alles gute. bleiben darfst du nicht. | ||
du musst deinen weg gehen, so ist das, | 665 | |
bei uns hast du dich nie wohlgefühlt. | ||
die rückkehr in deine alte heimat | ||
wird dir guttun. | ||
| ||
Medea. | Weisst du nicht | |
dass mein vater mit dem dolch erwartet, | ||
meine brüder, das ganze dorf bereit? | 670 | |
ich bitte um so wenig, Jason. bitte! | ||
| ||
Jason. | Du gehst mir langsam auf den geist. | |
nimm doch deine burka mit und schluss, | ||
da wird dich keiner erkennen, du schwein. | ||
guck dich doch an! hast du keinen spiegel? | 675 | |
hältst du dich für so viel wert, Medea, | ||
dass du denkst, jemand gibt sich die mühe | ||
dich zu töten? | ||
| ||
Bote. | Bei uns gibt es gesetze, | |
so was kommt nicht vor dass ein vater | ||
seine tochter unbestraft tötet, nein. | 680 | |
das zeigt ja genau das niveau des volkes | ||
wo diese frau herkommt, um Gottes willen. | ||
| ||
Jason. | So ist das! | |
| ||
Bote. | Das sollte Ihnen, Jason, | |
als eine lehre fürs ganze leben dienen. | ||
| ||
Medea. | Genau! niveau hat ja der sambatänzer | 685 |
der mit dem arsch auf dem schwanz | ||
des kultivierten mannes tanzt, oder? | ||
wissen Sie noch nicht, herr amtmann, | ||
dass meine nachfolgerin ein ausländer, | ||
ein shemale aus Rio de Janeiro ist? | 690 | |
bravo, Jason! verarsche deine stadt! | ||
deinem papa hast du’s auch nicht erzählt. | ||
| ||
Bote. | Ist es wahr, Jason, was ich höre? | |
ich ziehe mich lieber zurück | ||
um nicht mehr erfahren zu müssen. (ab.) | 695 | |
| ||
Jason. | Tja, Medea, wieder hast du es geschafft, | |
aber feiere bitte nicht allzu lange | ||
und fange an deine koffer zu packen. | ||
| ||
Medea. | Jetzt sind wir endlich wieder allein! | |
ironisch, oder? wer hätte gedacht | 700 | |
dass es mit uns so enden sollte? | ||
| ||
Jason. | Ich habe mir oft die frage gestellt | |
wie ich das so lange aushalten konnte. | ||
| ||
Medea. | Die frage die ich mir stelle lautet: | |
was habe ich getan, mein lieber Gott, | 705 | |
um einem so falschen herzen wie deinem | ||
zu begegnen und dich sogar zu lieben? | ||
du denkst, ich hasse dich, nicht wahr? | ||
ich bin sicherlich wütend auf dich. | ||
du hast mich in jeder weise betrogen, | 710 | |
du hast mich wie ein spielzeug benutzt | ||
bis ich dir jetzt so verbraucht erscheine. | ||
o Jason, du müsstest eine frau werden | ||
um nur zu verstehen wie viel des lebens | ||
ich habe geopfert um dir zu folgen, | 715 | |
die ich an deine versprechen geglaubt. | ||
| ||
Jason. | Ich hasse dich auch nicht, Medea. | |
es ist so, die liebe geht zu ende. | ||
| ||
Medea. | Ich gebe dir vollkommen recht | |
und dennoch lügst du wieder. | 720 | |
du hast mich niemals geliebt. | ||
ich merkte damals den Schein | ||
deiner augen und deine seufzer | ||
wenn wir uns jede nacht trafen. | ||
sie dienten mir als liebesbeweis. | 725 | |
aber die zeichen deiner seele | ||
hatten mit liebe wenig zu tun. | ||
deine regung war die frivolste: | ||
du wolltest mich alleine haben. | ||
als siegesbeute deines abenteuers | 730 | |
hast du mich hierhergebracht | ||
um die freunde zu beeindrucken, | ||
beneidet zu werden nach dem motto: | ||
die exotische frau hier, seht, | ||
die gehört mir, das ist mein vieh, | 735 | |
die ficke ich allein, das weib, | ||
das habe ich im urlaub gejagt. | ||
so hast du schön imponiert, | ||
zum mindesten eine zeit lang, | ||
bis die beute dir egal war. | 740 | |
mein leben war dir auch egal, | ||
meine hoffnungen, meine kinder. | ||
du kennst mich überhaupt nicht. | ||
weisst du die tiefe der träume, | ||
die ich einst im herzen trug? | 745 | |
ich habe viele fehler gemacht, | ||
aber nie einen menschen verletzt, | ||
nicht wie du mich verwundet hast. | ||
die waffe war dein falsches herz: | ||
betrug! du hast mich glauben lassen | 750 | |
dass du mich gar über alles liebst. | ||
für dich bin ich ein klagendes weib, | ||
ich weiss, Medea jammert nur herum. | ||
mancher schlag verwundet jeden, | ||
täglich wiederhole ich die klage, | 755 | |
die lange weile meines leides: | ||
ich war so voller unschuld einst, | ||
so glücklich wo ich war, so ruhig. | ||
ich suchte durch den weg des guten | ||
erfülltes leben und herzensopfer – | 760 | |
habe Gott um einen mann gebeten | ||
der mich die wahre liebe lehrt. | ||
und Gott hat mir den mann gegeben | ||
der mich den grössten schmerz gelehrt. | ||
wie töricht, an worte zu glauben! | 765 | |
viele haben mich vergeblich gewarnt | ||
und mit dem tode sogar gedroht. | ||
wie soll ich klagen zum himmel | ||
und gegen den zorn meines vaters | ||
nun weinen dass ich verloren bin, | 770 | |
mir nimmer zurückzukehren erlaubt? | ||
wie soll ich mein leben verteidigen | ||
wenn ich nur noch den tod verdiene? | ||
womit vergelten sonst einen menschen | ||
der gegen die warnung so vieler freunde | 775 | |
so falsch und niederträchtig handelt? | ||
ich habe ja mein leben verworfen | ||
um deine sommerschlampe zu werden. | ||
dass du mich nie wie deine frau | ||
oder irgendeine richtige frau | 780 | |
behandelt hast wundert mich nicht: | ||
ich bin was ich zu sein verdiene. | ||
| ||
Jason. | Du machst dir zu viele gedanken, | |
das bezeugt ja deine weiblichkeit. | ||
aber, Medea, ich bitte darum: | 785 | |
du sollst nicht weiter philosophieren | ||
ob ich dich je geliebt oder nicht. | ||
wird ein mensch beweisen können | ||
was sich nur ganz im inneren regt? | ||
könnte irgendein wort von mir | 790 | |
dein vorgefasstes urteil ändern? | ||
du dramatisierst die sache zu sehr: | ||
millionen scheiden sich jedes jahr, | ||
das leben geht ja wunderbar weiter. | ||
die ganzen gesetze dieses landes | 795 | |
habe ich nicht geschrieben, Medea, | ||
als dass ich noch die absicht hegte | ||
dir schaden und leiden zuzufügen. | ||
nicht schaden, scheidung will ich, | ||
den rest bestimmt des landes recht. | 800 | |
es tut mir leid, ich bin zu hart, | ||
ich weiss, ich muss es aber sagen: | ||
die welt ist grösser denn du denkst, | ||
es gibt ja mehr als meine stadt | ||
und deinen strand für deine zukunft. | 805 | |
du findest dich natürlich zurecht! | ||
du musst dich nur zusammenreissen | ||
und dich benehmen wie eine moderne, | ||
emanzipierte frau, eine richtige. | ||
erweise mir lieber dank, nicht groll, | 810 | |
dass ich die kinder hierbehalte. | ||
was hast du meinen söhnen zu bieten, | ||
mit welchen werten kinder erziehen? | ||
| ||
Medea. | Nur in deinem wahnsinn passiert es | |
dass eine mutter sich freut und bedankt | 815 | |
wenn kinder einem so schlimmen vater | ||
zum opfer fallen. denn welche werte | ||
wird Jason meinen kindern beibringen, | ||
ein mensch so unstet wie nur der wind? | ||
doch diesen gefallen werde ich dir tun: | 820 | |
ich kläre dich auf über dich selbst. | ||
du glaubst, du liebst diese Laura? | ||
ich muss auch hart sein und sagen | ||
dass einer wie du nicht lieben kann. | ||
du begehrst den arsch des sambatänzers | 825 | |
der so exotisch und abgefahren ist. | ||
in sechs monaten ist alles vorbei | ||
und er, oder sie, oder es, deine Laura | ||
wird wissen was ich ertragen musste. | ||
| ||
Jason. | Es ist gut, Medea, dass du gehst. | 830 |
so wirst du nicht erfahren müssen | ||
dass ich Laura vielleicht mehr liebe | ||
schenken kann, und länger, als dir. | ||
| ||
Medea. | Das möchte ich sogar hoffen, Jason! | |
| ||
Jason. | Du hast genug für dich selbst zu hoffen! | 835 |
| ||
Medea. | Mein herz ist gross und hofft für alle. | |
| ||
Jason. | Beweise doch diese grösse und gehe! | |
| ||
Medea. | Grösser ist der beweis den du schuldest. | |
| ||
Jason. | Gerechte schulden bezahle ich nur. | |
| ||
Medea. | Du wirst erfahren was gerecht ist! | 840 |
|
Medea |
STASIMON | ||
| ||
| ||
| ||
Chor. | Kam ein wanderfreund und sang: | |
ich liebe die eine fürs leben. | ||
kam der greise rab und frug: | ||
was weisst du, pilger, vom leben? | ||
kam der wind und fegte die worte: | 845 | |
die liebe vergeht in der nacht. | ||
wo bleibt im nebel die eine? | ||
| ||
Kam ein wanderfreund und sang: | ||
die liebe gedeiht in der zeit. | ||
der schwarze vogel kam und krähte: | 850 | |
o zeit, erbarme dich liebender. | ||
die eine tanzte, sang, aber sah: | ||
der wanderer ging seines weges. | ||
wo bleibt im herzen das wort? | ||
| ||
Kam ein wanderfreund und sang: | 855 | |
im norden ich liebe die eine, | ||
im süden das herz ist dasselbe. | ||
kam der fliegende rabe der frug: | ||
was schreitet der pilger so eitel? | ||
kam der wind und verwehte gelübde | 860 | |
vom norden bis in den süden. | ||
| ||
Kam die eine nachts und weinte: | ||
wo bleibt im nebel die liebe? | ||
der greise rabe kam und sagte: | ||
was allzu schnell versprochen | 865 | |
vergeht im nebel allzu schnell. | ||
sagte die eine tränenschwanger: | ||
was weisst du, rabe, vom leben? | ||
der schwarze vogel flog und sagte: | ||
ich weiss wo der wind sich legt. | 870 | |
wo immer zeit und ort und wort | ||
den mund des wanderers füllt | ||
ist weder wahrheit noch liebe. | ||
| ||
Kam der wind allein und seufzte: | ||
zu allen der zeiten und orte | 875 | |
ich fegte die reste des lebens. | ||
warum ich wehe, woher, wohin, | ||
wer weiss, so will das schicksal. | ||
und was ich sehe, woher, wohin, | ||
ich weiss, es bleibt dasselbe. | 880 | |
| ||
Kam der wanderfreund und sang, | ||
der rabe kam und kam und wind, | ||
die eine kam, die tränenreiche. | ||
nur ich allein behalte mein lied | ||
und trinke und bete zum schicksal: | 885 | |
erspare zweie meiner freunde, | ||
den wind des unheils verleite. | ||
wie soll ich meine lieder singen | ||
wenn blut den wanderfreund besudelt, | ||
den raben, den wind und die eine? | 890 | |
| ||
| ||
EPEISODION | ||
| ||
| ||
| ||
Agam. | Steh auf, Medea, weinen hilft nicht! | |
Fatima hat mir schon alles erzählt, | ||
aber es gibt noch hoffnung für dich. | ||
| ||
Medea. | Welches wunder kannst du bewirken? | |
| ||
Agam. | Den fehler eines falschen urteils | 895 |
müssen wir beheben, und zwar sofort. | ||
ich habe den anwalt schon kontaktiert. | ||
| ||
Medea. | Was bringt das? der amtmann war hier, | |
ich muss schon meine koffer packen. | ||
| ||
Agam. | Irgendeine lösung werden wir finden | 900 |
um diese entscheidung anzufechten. | ||
| ||
Fat. | Du musst aber positiver denken, bitte! | |
wir stehen auf deiner seite. und du? | ||
willst du wirklich dir selbst helfen? | ||
nur weinen und gegen schicksal klagen, | 905 | |
welchen nutzen hast du davon? vertraue! | ||
bittere tage machen erst den weisen: | ||
allzu lange beten wir schon zusammen, | ||
und jetzt ist dir die stunde gekommen | ||
geduld und grösse, bestand zu zeigen! | 910 | |
beweise dass nicht ein zufallsschlag | ||
genügt den edlen zugrunde zu richten. | ||
| ||
Medea. | Was für ein gelaber du redest, Fatima! | |
machst du dich lustig? | ||
| ||
Agam. | Fatima hat recht! | |
der anwalt hat uns beiden versichert: | 915 | |
er wird den richtigen antrag stellen | ||
und alles wird sich zeitig regeln. | ||
| ||
Medea. | Ihr werdet selbst die wahrheit erfahren, | |
denn gleich erscheint der bote wieder. | ||
| ||
Agam. | Er soll was erleben wenn er kommt. | 920 |
ich muss dir was sagen, tochter, | ||
damit du zuversichtlich bleibst: | ||
egal was uns heute hier begegnet, | ||
ich lasse dich nicht im stich! | ||
wenn du die stadt verlassen musst, | 925 | |
finde zuerst einen ort der zuflucht | ||
und lass mich wissen wo du bist. | ||
ich überweise dir sofort das geld | ||
für brot und dach und alles weitere. | ||
| ||
Fat. | Auf guten willen kommt es nur an. | 930 |
geduld hat öfter leben gerettet: | ||
verbittere dich und du bist verloren! | ||
| ||
Medea. | Die opfer eurer freundschaft | |
werde ich niemals vergessen! | ||
was soll ich aber tun und wie? | 935 | |
soll ich also weiterpacken | ||
oder warten? ich weiss nicht | ||
was wäre noch aus meinem leben | ||
ohne euch. wohin mich wenden, | ||
woher noch die kräfte finden? | 940 | |
| ||
| ||
| ||
Jason. | Hier ist sie! | |
| ||
| ||
| ||
Bote. | Immer noch hier? | |
seien Sie nicht so verwegen, frau! | ||
mein ganzes leben habe ich verbracht | ||
menschen Ihrer sorte zu strafen. | ||
Sie sind ja heute schon die dritte | 945 | |
die ich des landes verweisen muss. | ||
noch nie habe ich so was gesehen. | ||
begreift die junge frau noch nicht | ||
dass die zeit schon abgelaufen ist? | ||
wo sind denn Ihre sachen, verdammt? | 950 | |
haben Sie nichts was Ihnen gehört? | ||
ja dann bewegen Sie sich gefälligst | ||
und zollen Sie dem recht des landes | ||
gebührende achtung. ein richter befahl, | ||
nicht ich, dass Sie das land verlassen. | 955 | |
schluss mit parallelgesellschaften, | ||
mit staatsschmarotzern und fremden. | ||
das können wir uns nicht leisten, | ||
was stellen Sie sich denn vor? | ||
Sie verführen bürger des landes | 960 | |
um durch diese rassenkleckserei | ||
kultur und traditionen des volkes | ||
zu schänden, zugrunde zu richten, | ||
und wollen auf kosten des staates | ||
leben und terroristen erziehen? | 965 | |
du hast sie wohl nicht alle, du! | ||
also los, raus hier, aber sofort! | ||
| ||
Agam. | Was für ein krimineller auftritt ist das? | |
für wen halten Sie sich, um Gottes willen? | ||
| ||
Medea. | Verteidige mich nicht, mein vater! | 970 |
| ||
Bote. | Ich bin hier um das gesetz zu vollziehen. | |
diese frau muss das land verlassen. | ||
| ||
Agam. | Wissen Sie, wer ich bin, herr amtmann? | |
ich bin nicht irgendein ausländer | ||
der frisch aus dem boote notgelandet. | 975 | |
ich wurde hier geboren genau wie Sie! | ||
ich bin besitzer eines grossunternehmens. | ||
überlegen Sie sich Ihre ausdrucksweise | ||
bevor Sie sich an diese frau wenden. | ||
| ||
Bote. | Ist das ein bestechungsversuch oder was? | 980 |
verachten Sie die autorität des staates? | ||
ich kann Sie sofort verhaften lassen! | ||
| ||
Jason. | Das ist nicht nötig, alles regelt sich. | |
du brauchst nur die klappe zu halten, | ||
alter, und der mann macht seine arbeit. | 985 | |
| ||
Agam. | Wie? das lasse ich mir nicht gefallen. | |
| ||
Bote. | Justizbehinderung wird nicht geduldet! | |
| ||
Jason. | Das wolltest du, Medea, was? | |
wir hatten doch alles abgesprochen, | ||
ich habe dir alles gute gewünscht. | 990 | |
wieso bist du noch nicht fertig? | ||
du baust schon wieder deine scheisse. | ||
| ||
Medea. | Wovon redest du? | |
| ||
Jason. | Du fragst noch? | |
| ||
Fat. | Das ist alles meine schuld! | |
ich konnte nicht einfach zusehen | 995 | |
wie schlecht es Medea geht! | ||
ich habe deinem vater erzählt | ||
was hier passiert ist und wie. | ||
Jason, du bist kein böser mensch, | ||
wir kennen uns ein bisschen. | 1000 | |
ist es aber wirklich nötig | ||
dass Medea so schnell verschwindet? | ||
hast du selbst doch keine mutter | ||
die du dir in so einer situation | ||
vorstellen könntest? überlege dir! | 1005 | |
es ist nicht viel was sie braucht. | ||
| ||
Jason. | Prima! du hast was im leben geschafft. | |
aber diese frist ist nicht von mir! | ||
ich nehme sie so wie sie kommt. | ||
| ||
Bote. | Woher sie kommt kann ich wohl sagen: | 1010 |
sie kommt von der justiz, jawohl, | ||
die jeden immer gleich behandelt. | ||
| ||
Jason. | So ist das! was machen wir jetzt? | |
morgen wird gegrillt bei Laura | ||
und alles ist fertig für mittag. | 1015 | |
das war schon seit tagen vereinbart, | ||
das fleisch kann nicht so lange warten! | ||
| ||
Medea. | Wenn Sie es erlauben, herr amtmann, | |
dass eine kriminelle Sie anspricht, | ||
möchte ich nur erklären was los ist: | 1020 | |
ich hatte schon angefangen zu packen | ||
und meine reisetickets reserviert. | ||
da kamen freunde und verwirrten mich | ||
mit falschen hoffnungen und aussagen. | ||
fast wurde ich sogar dazu bewogen | 1025 | |
gesetz und sitte ganz zu vergessen. | ||
ich muss mich bei Ihnen bedanken | ||
dass Sie mich an pflichten erinnern: | ||
das leben ohne recht ist schande! | ||
verwirrt aber wie mein denken war, | 1030 | |
ich konnte nicht abschied nehmen, | ||
erlauchter herr, von meinen kindern. | ||
schenken Sie mir nur diese nacht | ||
und vor dem morgen verschwinde ich | ||
so schnell ich kann aus dieser stadt | 1035 | |
in der ich nicht zu leben verdiene. | ||
ich gehe sofort wenn Sie es befehlen: | ||
ich möchte lieber gehorchen als leben. | ||
wenn Sie es dennoch anders erlauben | ||
und mir die unverdiente gunst erweisen, | 1040 | |
die kinder ein letztes mal zu sehen, | ||
vor dem morgen werde ich gegangen sein. | ||
ich möchte lebendig begraben werden | ||
wenn ich mein wort zu brechen wage. | ||
| ||
Bote. | Sie haben schön reden, junge frau! | 1045 |
ein bisschen berührt mich schon | ||
so viel gesabber gleich auf einmal. | ||
hören Sie zu: wir machen das so | ||
wie Sie gerade vorschlagen, jawohl. | ||
diesen aussergewöhnlichen gefallen | 1050 | |
möchte ich Ihnen tun. doch bitte: | ||
ich komme vor der dämmerung zurück | ||
und will Sie nicht sehen. verstanden? | ||
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Medea. | Ich werde Sie nicht enttäuschen. | |
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Jason. | Mich auch nicht wenn du abhaust. | 1055 |
hauptsache du gehst vor dem grillen. | ||
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Agam. | Das wird nicht so bleiben, herr amtmann! | |
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Bote. | Was bleibt entzieht sich meiner gewalt. | |
das amt entscheidet aber wer bleibt! (ab.) | ||
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Jason. | Das amt entscheidet auch wer geht! | 1060 |
mache dein leben nicht schwieriger, | ||
Medea, nimm deinen abschied und geh. | ||
ich hole die kinder morgen früh ab. (ab.) | ||
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Agam. | Was für ein unrecht Medea erlebt. | |
ich halte, tochter, zu meinem wort: | 1065 | |
ich werde dir in jeder hinsicht helfen. | ||
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Fat. | Rechne auch mit mir! bedenke immer: | |
lieber unrecht erleiden als tun. | ||
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Medea. | Ich bitte nur noch um eines: | |
lasst mich eine weile alleine | 1070 | |
und löscht das licht nun aus! | ||
ich möchte abschied nehmen. | ||
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Agam. | Armes schicksal! (ab.) | |
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Fat. | Arme mutter! (ab.) | |
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Chor. | Sieh zu dass du ein grosses übel | |
nicht mit grösserem gar vergiltst! | 1075 | |
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Medea. | Was ich mir alles anhören musste! | |
wie konntest du glauben, Jason, | ||
dass ich mir so viel gefallen lasse? | ||
du glaubst wirklich, ich behalte | ||
in meiner brust ein kakerlakenherz? | 1080 | |
so nicht, mein lieber, so nicht, | ||
du hast meinen zorn unterschätzt. | ||
dein sieg war nur vorübergehend, | ||
ist eigentlich schon zu ende! | ||
du wirst bereuen mehr als alle | 1085 | |
sterblichen zusammen, du mistkerl. | ||
der richter hat sein recht gesprochen? | ||
ein urteil habe ich auch gefällt: | ||
so oft habe ich den typ gewarnt, | ||
ich verdiene respekt, ich bin | 1090 | |
mutter zweier kinder. meine rache | ||
wird dich doch wundern, bandit! | ||
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Chor. | Was wird Medea nun alleine machen? | |
wieso ist alles plötzlich so dunkel? | ||
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Medea. | Die kinder will der schurke haben? | 1095 |
nein, du gauner, tut mir echt leid! | ||
deine kinder gehören auch mir | ||
und die wirst du nicht kriegen. | ||
niemals werde ich erlauben | ||
dass meine söhne behandelt werden | 1100 | |
wie ich in diesem fremden land! | ||
wie? ich soll mich jetzt begnügen | ||
mit der rolle der zahmen frau? | ||
weil dieses volk nicht fickt | ||
soll ich mich herabdegradieren | 1105 | |
zur lieferantin von migrantenkindern, | ||
damit sie schon gleich in der schule | ||
wie dreck und vieh angesprochen werden? | ||
sie sollen lieber sterben als bleiben! | ||
| ||
Chor. | Wirst du wirklich wagen, frau, | 1110 |
die hand an deine kinder zu legen? | ||
| ||
Medea. | Dem falschen herzen muss ich zeigen, | |
und auch dem niederträchtigen volk, | ||
welche strafe das arschloch verdient | ||
das eine mutter so feige misshandelt. | 1115 | |
wo wurde je so viel verachtung gesehen? | ||
ich habe doch niemandem geschadet, | ||
gemordet, gestohlen, gelogen, betrogen | ||
habe ich nicht! ich habe geliebt | ||
und meinem mann gehorcht und kinder | 1120 | |
geboren, erzogen und alle geachtet, | ||
ich, die von allen verachtet werde. | ||
schluss damit! die betende frau, | ||
die dumme kuh am haushalt gefällt | ||
dem mann nicht mehr? mein auftritt | 1125 | |
soll moderner sein und emanzipiert? | ||
kommt, ihr kinder, ich zeige euch was! | ||
| ||
Chor. | Nein, Medea! hilfe, ruft den amtmann, | |
die frau dreht durch! warte, Medea! | ||
| ||
Medea. | Nicht länger kann meine klinge warten: | 1130 |
gesetz und recht und sitte versagten! | ||
kommt, kinder, tretet schnell herein, | ||
ich zeig euch das smartphone von papa, | ||
das ist so geil und abgefahren, guckt! | ||
| ||
Chor. | Du wirst es bereuen, verbrecherin! | 1135 |
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Medea. | Ich zeige euch ein tolles geheimnis! | |
ist es nicht schön? es glänzt so grün. | ||
aber rot kann es auch voll glänzen! | ||
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(Medea ersticht die Kinder.) | ||
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doch am ende ist alles schwarz! | ||
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Chor. | Verschwinde, du scheusal, ungeheuer, | 1140 |
wagst du noch dich sehen zu lassen? | ||
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Medea. | Vollbracht ist es! es ist vollbracht | |
mit tränen, mit blut und mit galle. | ||
ich darf nun gehen wohin auch immer | ||
meine schande vor mir zu verstecken. | 1145 | |
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Fat. | Was für schreie sind das? | |
Gott, steh mir bei! | ||
was ist das, Medea? | ||
hast du die kinder getötet? | ||
o nein, ich erkenne dich nicht. | 1150 | |
dein glaube ist nicht mein glaube. | ||
du willst nur rache! | ||
unrecht willst du nicht erleiden, | ||
du willst unrecht tun! | ||
ich verlasse dich, teufel, | 1155 | |
bevor ich dir zum opfer falle. (ab.) | ||
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Medea. | Geh! Medea verdient keine freunde, | |
keine kinder, keinen mann, kein land. | ||
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Chor. | So weit sollte es kommen. | |
ich habe versucht zu warnen, | 1160 | |
weiss nicht wer tauber war, | ||
der wanderfreund oder die eine. | ||
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EXODOS | ||
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Jason. | Hure! hast du meine kinder getötet? | |
ich wusste, du wolltest mir schaden, | ||
aber das? du hast deine wilderei | 1165 | |
und deine niveaulose herkunft | ||
in jeder weise überboten, schlampe. | ||
ich würde dich gleich erwürgen, | ||
könnte ich meine kräfte sammeln | ||
und weniger weinen. scheissleben! | 1170 | |
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Medea. | Ich habe dich doch gewarnt, bandit, | |
ich wollte nur so wenig von dir. | ||
je mehr ich mich von dir zurückzog | ||
damit du freier lebst und fickst, | ||
je mehr hast du uns alle beleidigt, | 1175 | |
die kinder, mich und dich selbst. | ||
du bist ein verwöhntes vatersöhnchen | ||
und hast jetzt die strafe gekriegt | ||
die du vom leben verdienst und von mir. | ||
| ||
Jason. | Nein, Medea, deine mittel sind böse. | 1180 |
nur weil du nicht verlieren konntest | ||
hast du zwei unschuldige kinder getötet? | ||
| ||
Medea. | Ich habe dein falsches herz bestraft | |
und bestrafe den hochmut deiner stadt. | ||
wie konnte ich dir jemals erlauben | 1185 | |
meine kinder nach deiner art zu erziehen? | ||
du würdest sie gar zu verbrechern machen, | ||
zu faschistischen menschenverachtern, | ||
zu frauenhassern, zu richtern des unrechts. | ||
| ||
Jason. | Glaubst du wirklich, du wirst entfliehen | 1190 |
mit reinem gewissen? | ||
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Medea. | Das mass der schmerzen | |
die mich erwarten behalte ich für mich. | ||
ich brauche nicht länger zu sterben | ||
um blutbefleckt in die hölle zu gehen. | ||
meine verbrechen erkenne ich sofort | 1195 | |
und ich hasse verwerfliche mütter | ||
die meinen falschen weg befolgen: | ||
das ist mein leben, das ist mein los! | ||
schade dass du so lange brauchst | ||
um deine verbrechen zu sehen. | 1200 | |
| ||
Jason. | Willst du unsere taten vergleichen? | |
| ||
Medea. | Der wahre mörder hier bist du! | |
| ||
Jason. | Du triffst mich härter als ich verdiene. | |
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Medea. | Behandele deine nächste frau | |
wie einen würdigen menschen, | 1205 | |
verachte keine hilflose mutter | ||
und du wirst mehr glück haben. | ||
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Chor. | Mitunter kommt es vor in der kneipe | |
wie ausserhalb im richtigen leben | ||
dass man viel sieht und nicht weiss | 1210 | |
was man sagen soll, wer recht hat. | ||
es tut mir leid um alle die leben | ||
müssen unter dem neid des schicksals, | ||
am meisten bestimmt um den der meint, | ||
er will nur glücklich in ruhe leben. | 1215 | |
der zufall bringt ja oft zusammen | ||
naive schuften um allen zu schaden. |